19.11.2006 Augsburg Kantine

Sonntag. Ein Konzert am Sonntag. Ich muss doch am Montag wieder Arbeiten! Verdammt, dann laufe ich halt Montags wieder mal total übernächtigt durch den Betrieb. Mann muss halt seine Prioritäten setzen.

Es kommt noch besser. Nicht nur Sonntag sondern auch noch Volkstrauertag, und damit in Bayern eigentlich Tanzverbot. Scheiß drauf, immerhin haben die für den Termin Karten verkauft. Also rein ins Auto und die knapp 70 Kilometer gen Augsburg gerödelt - Tatsächlich, in der Kantine steigt heute ein Rockkonzert. Die werden den Genehmigungsantrag wohl sehr "kreativ" ausgefüllt haben. Wahrscheinlich haben die Haggard als sakrale Musikveranstaltung deklariert. Sowas ist am Volkstrauertag nämlich erlaubt. Hmm... irgendwie hat Haggard als Mischung von Death Metal Kapelle und klassischem Orchester ja auch was Sakrales. Und die Lyrik dürfte sogar der Kirche gefallen.

Seht den Ketzer, ich sag, er soll brennen heut' Nacht
Soll ihn spür'n, den Tod, er kommt langsam und lacht ...

Ok, vieleicht doch nicht. Wie dem auch sei.

Die kleine Bühne der Kantine ist jedenfalls vollgepfercht mit Instrumenten samt Zubehör die man sonst bei Rockkonzerten eher selten zu Gesicht bekommt. Wobei die Kesselpauken schon was Martialisches haben. Währ doch mal was für Rammelstein und Konsorten. Nicht immer nur Leder und Blut! Nehmt Kesselpauken!

Laut Ankündigung soll vor Haggard noch ne andere Kapelle auf die Bühne. Als jedoch punkt 21:24 also 24 Minuten nach offiziellem Beginn gleich Haggard auf die Bühne treten bestätigt sich was schon vorher gerüchteweise die Runde gemacht hat: Wenn Haggard die Kantine rocken hat keine weitere Band platz. Nun ja oder es war mal wieder der Volkstrauertag.

So startet der Auftritt gleich mit einer Ankündigung. Mit breitem Grinsen verkündet Asis den (von mir zumindest) erwarteten Ausfall der Vorgruppe nicht aufgrund von zu wenig Platz sondern wegen den Bayerischen bestimmungen an sogenannten "stillen Tagen". Danach kam der Brüller! Man solle doch auf das Bangen verzichten da ja Tanzverbot herrsche. Und falls doch ein paar Haare fliegen sollten solle doch gefälligst niemand etwas davon bemerken... Brüll!!!

Ehrlich gesagt habe ich den ganzen Abend irgendwie darauf gewartet dass "dein Freund und Helfer" mit gezücktem Schlagstock vor der Halle steht und darauf wartet den Saal zu zerlegen falls sich hier irgend etwas bewegt. War aber nicht so. Zum Glück.

Bei Haggard weiss man im Vorfeld ja nie so genau wieviele Musiker tatsächlich auftreten werden. Diesmal waren es dreizehn. Und damit war es auf der Bühne ganz ordentlich voll. Der Mann am Mischpult (sorry habe den Namemn vergessen) tat auch ganze Arbeit, denn der Sound war von wenigen Rückkopplungen mal abgesehen mehr als ordentlich. Und das obwohl die klassichen Instrumente schwer abzumischen sind und noch dazu die Akkustik der Kantine nicht gerade Konzertsaalqualitäten hat. Selbst der weibliche Soprangesang kam ausgesprochen klar durch die Krachkisten.

Durch die gute Abmischung kamen die schon legendären Stimmungs und Tempowechsel von Haggard unheimlich beeindruckend zur Geltung. Gänsehautfeeling pur sozusagen. Für mich überraschend, Haggard arbeiten trotz des sehr anspruchsvollen Materials völlig ohne "Zusätze" von Band. Selbst die manchmal bei langsamen Parts einsetzenden Regengeräusche sind echt handgemacht. Per Regenrohr bedient von Fiffi. Der nebenbei aussah als ob er direkt mit dem Motorrad vom letzten Motörheadkonzert kam.

Ich erspare euch jetzt die Setlist, denn wer nicht da war ist ohnehin selbst schuld. Ausserdem, wer kann sich schon songnamen wie "All' Inizio E La Morte" oder "De La Morte Noir" merken. Seis drum, mit knapp zwei Stunden Spielzeit bekamen die angereisten Banger genug Mucke um die Ohren geblasen um den Ausfall etwaiger Vorgruppen zu verschemrzen. Und Haggard liessen wirklich keine Wünsche offen was die Songauswahl betrifft. Das obligatorische "In a pale moon's shadow" als beginn der Zugabe, gefolgt von "Final Victory". Zu dieser Nummer gehört ein Chor, so Asis. Und so wurde kurzerhand die ganze Halle zum 170 Mann und Frau Megachor umfunktioniert. Nach kurzem Einsingen mit Fiffi gings los. Das war schon fast gespenstisch. 170 Stimmen, angeblich lauter als 500 Schweizer... Und immer wieder der Trauertag: Man möge doch aufhören sich zu bewegen... Und schon wieder tobt die Meute. Überhaupt ist die Stimmung in der Kantine andauernd auf dem Höchststand.

Was gibt es zu einem genialen Auftritt noch zu sagen? Angesichts des Feiertages ein wahrscheinlich für kenner der Band nicht unbekanntes Zitat:
Und wir bewegten uns doch! Oder zumindest so ähnlich.

Der Schädelstrolch